Abschluss Shackleton Mission am 18.01.2023

Schlussbericht von Fiann Paul, dem Expeditionsleiter:

"Die Expedition ist abgeschlossen. Der Hauptgrund für die Änderung des Expeditionsziels war die Evakuierung des ersten Offiziers, Dr. Mike Matson.

Er war die letzte Person, die ich während dieser Expedition zu verlieren erwartete. Er war das engagierteste Teammitglied und der beste Ruderer. Die Entscheidung, ihn zu evakuieren, ist mir sehr schwergefallen. Er wurde seekrank, was nicht zu erwarten war. Ich frage immer nach der Anfälligkeit für Seekrankheit, wenn ich Ruderer rekrutiere. Er wurde direkt vor der Expedition auf einem Segelboot über die Drake Passage nicht seekrank, was eine sehr ruppige Überfahrt war. Selbst mein Magen war während dieser Überfahrt angeschlagen. Aber es kann jedem passieren. Ich habe überlegt, ob wir ihn an Bord behalten und zu den Südlichen Orkneyinseln rudern könnten, ohne ihn zu evakuieren. Aber ich beschloss, einen Anruf zu tätigen und ihn zu unserem Überwachungsschiff zu bringen. Es war die richtige Entscheidung. Während wir ruderten, blieb die Temperatur bei etwa 1 Grad, und er hätte sich niemals erwärmt.  Wenn er bei uns an Board geblieben wäre, hätte das für seine Gesundheit kritisch werden können.

Was hat Seekrankheit mit Erwärmen zu tun? In niedrigen Breiten, wo 99 % der Ozeanruderer unterwegs sind, nicht viel. Diese Expedition war jedoch wettertechnisch und logistisch objektiv meine schwierigste. Es erforderte viel zusätzliche Anstrengung, von der Antarktis aus zu starten, und sowohl Start als auch Ende bei kaltem Wetter zu bestreiten. Dieses Jahr war auch nicht das wärmste. In Ushuaia, vor unserer Abreise, herrschten wegen El Nino Temperaturen von nur 6 Grad. Hier seekrank zu werden, löst einen Dominoeffekt aus. Das Ergebnis variiert je nach Grad der Krankheit, aber sobald es intensiv wird, ist man nicht mehr in der Lage, Nahrung zu verdauen oder Kalorien aufzunehmen. Es gibt keine andere Möglichkeit sich zu erwärmen als mit Rudern, und dies erfordert wiederum Kalorien.

Also trägt man 2 oder 3 Schichten Kleidung, nur Basisschicht oder Basis + Mitte unter dem Ruderanzug. Das ist warm genug und man überhitzt sich nicht, wenn man rudert. In der Kabine ist die Temperatur nur ein paar Grad, nicht genug, um sich aufzuwärmen. Wenn einem kalt ist und man sich nicht bewegt, ist man rasch unterkühlt. Außerdem ist in den Kabinen alles nass.

Mike schien sehr kältesicher zu sein. In der Antarktis, als wir an unserem Boot arbeiteten, hatte ich 3 Schichten angezogen, während er leichter bekleidet war.

Zurück zum Problem: Ein seekranker Ruderer, der keine Nahrung verdauen kann und versucht sich zu bewegen, um warm zu bleiben, kann aber auch keine Elektrolyte aufnehmen. Dies führt unweigerlich zum Kollaps.

Normalerweise rekrutiere ich eine 6-köpfige Crew, da ich weiß, dass es in jeder Schicht mindestens zwei gute Ruderer geben muss, um bei sehr starkem Wind einen schwierigen Kurs halten zu können. Das Polarrudern ist nicht vergleichbar mit Passatwindrouten im Atlantik. In Polargebieten kommen Winde aus allen möglichen Richtungen und es muss viel Kraft aufgewendet werden, um den Kurs zu halten. Ansonsten würde das Boot querschlagen, wenn die menschliche Kraft nicht genug Antrieb erzeugt. Also 2 gute Ruderer gleichzeitig und ein Boot unserer Größe reichen aus, um bei sehr starkem Wind einen schwierigen Kurs zu halten.

Ein weiteres Problem dieser Expedition war, dass Jamie von Anfang an angeschlagen war, weil er gesundheitlich geschwächt war. Dies hat auch seinen Vorbereitungsplan durcheinandergebracht. Deshalb querte das Boot oft, wenn er in seiner Schicht ruderte. Damit waren wir nur noch 4 leistungsfähige Ruderer. Aus Erfahrung weiß ich, dass sich von 6 Ruderern mindestens zwei verletzen. Da wir nur mehr 4 gesunde Ruderer waren, stieg die Gefahr, dass, wenn sich ein weiterer unter diesen extremen Bedingungen verletzt, es nicht mehr möglich ist, jeweils 2 gute Ruderer pro Schicht zu haben.

Meine Intuition war nicht falsch. Lisa hat sich leider am letzten Tag vor unserem neuen Ziel verletzt. Wären wir also auf dem Weg nach Südgeorgien gewesen, hätten wir unsere Expedition abbrechen müssen. Lisas Anteil an körperlicher und mentaler Stärke war beträchtlich. Ich habe sie auch deshalb wegen ihrer Fähigkeiten rekrutiert und das nicht nur, um politisch korrekt zu sein.

Diese Routenänderung hat uns aber trotzdem die meisten unserer erwarteten Titel gesichert. Obwohl wir Shackleton nicht nachvollziehen konnten oder vielleicht haben wir es gerade deshalb getan, weil eine richtige Nachstellung von Shackleton darin besteht, ein geplantes Ziel nie zu erreichen und ein größeres daraus zu machen. Stattdessen ein Abenteuer, also taten wir es.

Ich wusste auch, dass diese Kursänderung Mikes Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung beschleunigen könnte, da ihn ein Arzt und eine grundlegende medizinische Einrichtung in Orcadas, der argentinischen Polarstation auf den Süd-Orkney-Inseln, erwarteten.

Am Ende dachte ich, dass Mike unser gleichnamiger Chippy McNish wurde. Ich habe seine Expertise und Fähigkeiten respektiert. Obwohl er das engagierteste Teammitglied war, wird er nicht den Anteil an den Titeln erhalten, die er voll und ganz verdienen würde. Es brachte mich ein paar Mal zum Weinen, während ich noch auf der Mrs. Chippy war. Oft habe ich mich gefragt, ob ich etwas falsch gemacht habe, ob ich das irgendwie hätte verhindern können. Es fühlt sich für mich komisch an, die Bühne zu verlassen. Einst war ich Entdecker...

Ein Entdecker zu sein bedeutet jedoch nicht nur, auf Expeditionen zu gehen. Es ist eine Lebenseinstellung.

Vielen Dank an Mike und das gesamte Team, die dies möglich gemacht haben. Es war ein intensives Abenteuer."